Rotterdam, Freiburg im Br. (ots) -
Im streng geregelten Deutschland ist ein Durchbruch gelungen: Zum ersten Mal in der Geschichte des universitären Krankenhausbaus wurde ein Qualitatives Raumkonzept (QR) entwickelt und als Unterlage in den Architektenwettbewerb mitgegeben. Das QR wurde durch kopvol - architecture & psychology, Rotterdam im Auftrag des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätskinderklinik Freiburg entwickelt. Die Inhalte sind evidenz-basiert und ausgerichtet an der besonderen Wahrnehmung und den Bedürfnissen von Patienten, Personal und Besuchern.
Stets mehr Auftraggeber sind auf der Suche nach Möglichkeiten, räumliche Qualität, die auf Behandlungs- und Arbeitskonzepte anschließt aber auch das Wohlbefinden von Patienten und Personal im Blick hält, in ihre Krankenhäuser zu bringen. In der für Architekten verwertbaren Formulierung von räumliche Qualitätsanforderungen, stoßen sie allerdings an ihren Grenzen und sitzen zudem zum Zeitpunkt der Bauplanung fest an finanziellen Einschränkungen und einer starren und teilweise veralteten Regelgebung. Die Entwicklung eines Qualitativen Raumkonzepts bietet hier zukünftig eine Lösung an.
HINTERGRÜNDE
Krankenhäuser und Architekten brauchen ein 'Qualitatives Raumkonzept'!
Umgebungsaspekte, die einem Gesunden kaum oder gar nicht ins Auge fallen, nehmen für Kranke einen hohen Stellenwert ein. Der Grund hierfür liegt in der Veränderung seiner Wahrnehmung und Bedürfnisse. Die sogenannte heilende Architektur geht auf diese Veränderungen ein und trägt so aktiv an der Gesundheitswiederherstellung von Patienten und darüber hinaus an der Gesundheitserhaltung von Personal bei. Der heilende Einfluss der Krankenhausarchitektur gilt inzwischen als unumstritten. Allerdings ist für das Wirkungsergebnis von größter Bedeutung, dass die Umsetzung der Umgebungsaspekte nutzerspezifisch erfolgt. Klinikmanagement und Architekten machen es sich häufig einfach und wenden die Aspekte unabhängig davon an, welche Patientengruppe sie vor sich haben. Das ist fatal, denn das umgebungsbezogene Stresserleben der Patienten ist u.a. abhängig von der Schwere einer Erkrankung, der Art der Erkrankung, dem Alter der Patienten und dem Umgang mit der Erkrankung. Während beispielsweise in den Therapieräumen psychiatrischer Patienten Tageslicht weniger therapieunterstützend wirkt als regelbares Atmosphären-Licht, ist es für die psychische Gesundheit von Krebspatienten von essentieller Bedeutung, Chemotherapie in möglichst tageslichtdurchfluteten Räumen zu erhalten. Während Lärmschutz für die Schlafqualität Schwerstkranker und kleiner Kinder wichtig ist, löst dieser bei älteren Menschen Ängste aus. Während der Aufenthalt in einem Einzelzimmer post-operativ zur Liegezeitverkürzung führt, bewirkt er bei Demenzkranken eine Krankheitsverschlechterung. Kranke Kinder, die häufig gemeinsam mit ihren Eltern ins Krankenhaus aufgenommen werden, bilden aus Architektur-psychologischer Sicht eine besonders anspruchsvolle Nutzergruppe.
Architekten sind nicht ausgebildet, wissenschaftlich ermittelte Umgebungsaspekte nutzerspezifisch zu interpretieren und in ihrem Entwurf bedarfsgerecht umzusetzen. Klinikpersonal, das häufig mit den ersten Schritten einer Neu- oder Umbauplanung beauftragt wird, ist nicht ausgebildet, räumlich zu denken und Entwurfskriterien zu formulieren. Ein Krankenhaus wird nur dann eine erfolgreiche heilende Umgebung (Healing Environment), wenn der Architekt eine für ihn verständliche Arbeitsgrundlage erhält. Diese Arbeitsgrundlage bietet das 'Qualitative Raumkonzept' (QR), das gemeinsam mit dem Klinikpersonal und Patientenvertretern erarbeitet wird. Bis dato sind nur wenige interdisziplinär aufgestellte Büros darauf spezialisiert. Die frühzeitige Erarbeitung des QR ist von entscheidender Bedeutung für den späteren Erfolg bei der Umsetzung der gewünschten Qualität und der Kostenkontrolle. Wer in seiner Klinikplanung an Geld spart, muss es später dreifach aufwenden, um Qualitätsmängel auszubessern, gutes Personal zu halten und Patientenzufriedenheit herzustellen. Experten schätzen, dass das steigende Mitspracherecht der Patienten die Realisierung Heilender Umgebungen in den nächsten 15 Jahren zum Qualitätsstandard einer neuen Versorgungskultur der Kliniken in ganz Europa erklären wird.
Universitätskinder- und Jugendklinik Freiburg: Ein Vorreiter in 'exzellenter Auftraggeberschaft'
2014 beauftragte die geschäftsführende Ärztliche Direktorin des 'Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Freiburg', Frau Prof. Niemeyer, kopvol - architecture & psychology mit der Entwicklung des Qualitativen Raumkonzeptes für die neue Universitätskinder- und Jugendklinik. Ziel war die Verbesserung der Behandlungs- und Versorgungsqualität mittels vorplanerisch durchdachter und evidenz-basierter Entwurfskriterien. Eine vom Auftraggeber formierte Arbeitsgruppe formulierte die Leitlinien als Ausgangspunkt der Qualitätsanforderungen an die zukünftige Krankenhausumgebung. Dieser offene, frische Blick und die qualitätsgerichtete Haltung ist vorbildlich für eine exzellente Auftraggeberschaft, die leider noch zu selten im Krankenhausbau auftritt.
Der Anti-Warteraum: Einer von sieben innovativen Entwurfskriterien aus dem Qualitativen Raumkonzept
Kopvol prüfte zunächst, inwieweit die im Raumprogramm veranschlagten Flächen beispielsweise Stressreduktion oder -induktion bedeuteten. Schnell wurde deutlich, dass unter anderem viel zu kleine Standard-Wartebereiche vorgesehen waren, in denen Eltern und Kind meist ohne Tageslicht und mit viel Ablenkspielzeug dem Personal 'im Weg' sitzen. Durch ein flächenneutrales Clustering der Standardflächen entstand ein neues Konzept: Ein zentrales, alle Polikliniken verbindendes Element, das den Patienten und seine Bedürfnisse in wörtlichstem Sinn 'in den Mittelpunkt' rückt: Der Anti-Warteraum. Der Anti-Warteraum ist ein Aufenthaltsgebiet mit speziellen Kompartimenten, in denen Kinder, Jugendliche und Eltern genau die Ablenkung und Entlastung finden, die sie gerade benötigen. Sich unterhalten, bewegen und spielen ist ebenso möglich wie der Rückzug zum Lesen, Arbeiten, Stillen oder nach langen Diagnostik-Tagen kurz zu schlafen. Der Anti-Warteraum senkt Angst und Anspannung und bereitet Kinder und Eltern optimal auf Untersuchungen, Therapien und Arztgespräche vor. Er ist eines von insgesamt sieben innovativen Entwurfskriterien aus dem Qualitativen Raumkonzept der Universitätskinder- und Jugendklinik Freiburg.
Schwerpunkte im Qualitativen Raumkonzept: 'Weil Patientenorientierung kein Luxus sondern Versorgungsauftrag ist'; Qualitatives Raumkonzept Patientenbereiche 'Weil Experten Menschen sind'; Qualitatives Raumkonzept Arbeits- und Ausbildungsbereiche 'Weil Medizin mit Zukunft Verantwortung bedeutet'; Qualitatives Raumkonzept Adaptivität und Nachhaltigkeit'
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